The WoodHouse Project. 2006

Veröffentlichung: ser info / global denken – regional handeln
Newsletter of Foundation For Subjective Experience and Research
S.E.R. Stiftungen D&CH&NL und Partnerorganisationen / 4. jahr Nº 2-2006
hier: Seite 1, 14 und 15

The WoodHouse Project

Grenzenloser Frieden / Feindschaft erkennen – Freundschaft gestalten.

Ein Projekt der Konrad Adenauer Stiftung Hannover, Christian Schleicher in Zusammenarbeit mit Herbert W.H. Hundrich, Mallorca.

Schirmherrschaft: Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Christian Wulff                              Gesponsert bei: Landkreis Emsland, VGH Hannover, TUI, Hapag Fly, Lufthansa, Harvey Woesten.

Veranstaltungsort: Ludwig Windhorst Haus, Lingen / ein Projektbericht von Herbert W.H. Hundrich

Im vergangenen Jahr wurde ich von der Stadt Bergen und der Konrad Adenauer Stiftung, Hannover einge-laden, für die “Anne Frank Friedenstage” eine künstlerische Konzeption auszuarbeiten und für deren Durchführung die künstlerische Leitung zu übernehmen. An dem Projekt waren Jugendliche aus Polen, der Tschechischen Republik, Deutschland und zum ersten Male auch Jugendliche aus Mallorca beteiligt. Die Ergebnisse dieses Projektes wurden 2005 in den verschiedenen Ländern präsentiert, im Landtag Niedersachsen und zur Jubiläumsfeier “50 Jahre Konrad Adenauer Stiftung” in Bonn.

Aufgrund dieser erfolgreichen Zusammenarbeit haben der Leiter der Stiftung Christian Schleicher und ich beschlossen, auch weiterhin zusammen zu arbeiten. Nach kurzer inhaltlicher Diskussion war klar, dass im Sinne eines Aufbauprojektes der AnneFrank Friedenstage unser nächstes Projekt konsequenterweise nur in Richtung “Israel und Palaestina” gehen kann. So entstand: „The Wood House Project“ – Grenzenloser Frieden, Feindschaft erkennen – Freundschaft gestalten“. Inhaltlich. Das ist viel – aber noch nicht alles. Der unerlässlich 3.im Bunde, Harvey Woesten, ließ sich von dieser Idee anstecken und sorgte mit unermüdlichem Engagement für die materielle Grundstruktur dieses Projektes.

Wir konnten 24 Jugendliche einladen: Jüdische und arabische Israelis, Palästinenser aus den besetzten Gebieten und Deutsche. Wir hatten damit nicht nur Teilnehmer aus drei Ländern, sondern auch Angehörige der drei großen Weltreligionen: Juden, Muslime und Christen. Sie kamen vom 10.-24. August 2006 im Ludwig-Windthorst-Haus in Lingen zusammen, um sich sowohl inhaltlich als auch künstlerisch mit der Frage auseinander zu setzen, wie man einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten erreichen kann, den es in Deutschland und weiten Teilen Europas bereits gibt. Die Jugendlichen erarbeiteten themenbezogene, großformatige Papierarbeiten, Skulpturen, Holzdrucke auf Reispapier und bauten ein Gemeinschaftshaus aus ihren Holzskulpturen. Die Ergebnisse dieses völkerverbindenden Projektes wurden in Lingen präsentiert, später in Berlin, in der Konrad-Adenauer-Stiftung gezeigt.

.Weiterhin standen Exkursionen nach Berlin (Bundestag, Jüdisches Museum, Museum Checkpoint Charlie) und Papenburg (Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager, Lager Esterwegen), eine Podiumsdiskussion zum Thema „Frieden im Nahen Osten“, eine Begegnung mit deutschen Jugendlichen sowie das U-21 Fußballländerspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden auf dem Programm. Was ist Frieden? Was ist Freiheit? Ist Demokratie der Weg zum Frieden – oder ist Frieden die Grundlage zur Demokratie?

Bewegen wir uns nicht wieder oder immer noch in unserem geschlossenen System subjektiver Weltan-schauung, in der selbst großartige Ideen und Visionen verhaftet sind? Eigenen Regeln folgend enden Friedensprozesse im Nahen Osten immer wieder in Trümmern. Die Gründe des Scheiterns sind vielfältig. Eines scheint klar: keiner der Konfliktparteien ist es gelungen, Feindbilder abzuschaffen und Vertrauen aufzubauen, die Grundlage zu jedem Frieden. Tod, Terror und Vergeltung bestimmen nach wie vor das Bild im Nahen Osten. Solange es keine gerechte Lösung in der Flüchtlings-, Siedlungs und Grenzfrage gibt, wird die Region nicht zur Ruhe kommen.

Das WoodHouse Project lebte von Begegnung und Kommunikation,von Offenheit und Neugierde, sich selbst und den Anderen zu erleben. Die konzeptionelle Grundlage dieses Projektes basiert auch auf der Notwendig-keit, das Eigene im Fremden und das Fremde im Eigenen zu erkennen.Wir Menschen sind es gewohnt, das Andere zu zerstören um das Eigene zur Entfaltung zu bringen. In diesem Projekt wird das

vom Anderen zerstörte durch den eigenen Beitrag zur Entfaltung gebracht. Das Selbstgeschaffene wird ge-spalten, zerrissen, um einen Beitrag zum Schutz der Gemeinschaft zu leisten. Der eigene Standpunkt wird radikal zur Disposition gestellt; Bekanntes, sich Wiederholendes, Wiedererkennbares wird auf der so genannten Suche nach sich selbst, verneint.

Viele sagen: der Krieg beginnt, wenn die Diplomatie versagt. Dieses Projekt begann, als der Krieg die Diplomatie schon viel zu lange erstarren ließ, als die Bomben vom Himmel fielen und die Raketen auf die Erde schlugen. Die Jugendlichen aus der Westbank, aus Ramallah, waren schon in Hannover. Die Jugend-lichen aus Tel Aviv waren auf der Reise, als die Nachrichten aus London kamen: Alarmstufe, Terror, Chaos, Einstellung sämtlicher Flüge. Jedes Klingeln des Telefons konnte das Ende des Projektes bedeuten. Und dann gings los: Gemeinsame Ziellsetzung durch Handeln realisieren, ständige Infragestellung der eigenen Position, Pendeln zwischen individueller und gemeinsamer Erfahrung –Reflexion – Handeln. Praktisch arbeiten: Probleme sollen erkannt, wahrgenommen und zukunftsorientiert angegangen werden.

Streit ueber die Richtigkeit der jeweils anderen Sichtweise wurdeals Zeitverschwendung erarbeitet. Gegenwart- und zukunftorientierte Grundlagen sind dagegen Respekt, Achtung und Menschenwürde. Konkret heißt das für dieses Projekt: Augen auf, mit vollstem Bewusstsein und geschärftem Verstand mitten in die zuweilen radikale Realität der Gegenwart.

Was das heißt? Es kann auch die einfache Frage bedeuten: was möchtet ihr werden? Eine Antwort: Kampfpilotin. Und gerade die Jugendlichen aus Israel und Palaestina wissen genau, was das bedeutet. Oder die Frage:Was wäre wenn Frieden ist? … dann könnte ich beim Einkaufen mal meine Tasche abstellen, ohne gleich für eine Terroristin gehalten zu werden.

Solche Momente gab es viele. Es war extrem anstrengend – das Projekt hat „mehr als funktioniert“, es ist für alle Beteiligten zu einem großartigen Erlebnis geworden. Wir haben im gemeinsamen Leben und Arbeiten unser Ziel erreicht: Das Haus ist fertiggeworden.

Um mit den Worten Sahed’s zu sprechen: ,,Es ist das größte Projekt: ein Haus mit Platz für Juden, Christen und Moslems. Es ist unser Haus.Wir haben es gebaut.“ Fazit: eine tolle Generation – wenn man ihr Raum gibt, sich zu entwickeln. „Raum geben“ ist wohl eines der großen Geheimnisse und Notwendigkeiten – „Raum geben“ zur eigenständigen Entfaltung. Und dabei denke ich nicht nur an die Jugend im Nahen Osten – ich denke an die Menschen in dieser Welt, in Europa, auch in Deutschland: Raum geben – als wichtigste, geistige Grundlage zur Definierung des so viel diskutierten Anspruchs nach Integration.

Epilog:

Vor einigen Tagen erreichte mich die Nachricht aus Israel: ..wir haben uns getroffen, zusammen Eis ge-gessen und Kaffee getrunken, wir haben viel geredet und die Anderen, aus Ramallah, vermisst.Wir werden uns darum kümmern, dass auch sie an solchen Treffen teilnehmen können. Wir haben verstanden: „nur“der Anstoß kommt von aussen – alles weitere müssen wir selber gestalten.

Newsletter of Foundation For Subjective Experience and Research                 4. jahr Nº 2-2006 – hier: Seite 1, 14 und 15