Mallorca Magazin 08.01.2015 / Keine Angst vor Veränderungen. 2015
Als Pegida in Erscheinung trat, zeigte eine Karrikatur in einer großen deutschen Zeitung eine Gruppe von Mallorquinern unter einem Transparent gegen die Verdeutschung der Insel. In vielen sozialen Netzen wurde darüber gewitzelt. Dabei ist das gar nicht zum Lachen. Tatsächlich gibt es Mallorquiner, die sich gegen die angebliche Verdeutschung der Insel wenden, sogar in Politik und Verwaltung.
Mit Pegida tritt besonders in Sachsen ein Problem in Erscheinung, das wir mit dem Nationalismus auf ganz andere Weise auch auf Mallorca antreffen. Der gemeinsame Nenner heißt Identitätssicherung durch Abgrenzung. Diese Haltung entspringt der Angst, in der globalisierten Welt nicht (mehr) zu wissen, wer man ist.
Ich erinnere mich noch gut an die Aufbruchstimmung auf Mallorca im Jahr 2000. Es gab endlose Diskussionen und Projekte mit Künstlern verschiedenster Herkunft. Plötzlich stand der kreative Mensch im Vordergrund, nicht seine Staatsangehörigkeit. Europa schien zum Greifen nah.
Drei Jahre später setzten sich die hiesigen Politiker nur noch für die Mallorquiner ein. Auf europäischer Ebene pochte man auf die eigene Identität und buhlte gleichzeitig um Finanzen für mallorquinische Projekte – letztendlich, um die eigenen Pfründe zu sichern. Auf diese Art wurden etliche europäische Projekte gefördert, aber nicht die europäische Kultur, sondern nur die mallorquinische.
Kulturen haben sich immer dort (weiter)entwickelt, wo die Eliten der Gesellschaft religionsübergreifende, kulturbeschreibende Auseinandersetzungen geführt haben. Beziehe ich mich dagegen nur auf mich selbst oder die eigene Nation, entziehe ich mich nicht nur der notwendigen Entwicklung, sondern behindere sie. Stelle ich mich gegen die Notwendigkeit oder verhindere sie, muss ich mich nicht wundern, wenn ich eines Tages aufwache und feststelle, dass die Welt über mich hinweggerollt ist.
Umgekehrt lässt sich feststellen, dass auffallend wenige Residenten so weit in die mallorquinische Gesellschaft integriert sind, dass sie sich auch politisch engagieren. Wollen sie es nicht, werden sie nicht gewollt oder ist beides der Fall?.
Vor mehr als zehn Jahren kritisierte ich an dieser Stelle, dass es auf europäischer wie auf mallorquinischer Ebene viele Zweckbündnisse und Zweckfreundschaften gebe, aber kein gemeinsames übergeordnetes Ziel. Auch die Politiker haben es nicht verstanden oder gewollt, ein gemeinsames Europa zu schaffen.
So werden wir EU-Residenten im Mai 2015 bei der Wahl des Balearenparlaments wieder erleben, dass wir Bürger zweiter Klasse sind. Wie die Bürger erster Klasse zahlen wir an unserem Wohnort zwar Steuern, haben aber nicht das demokratische Recht, über die Ver(sch)wendung unserer Steuergelder mitzuentscheiden.
Als Europäer möchte ich in der EU nicht aufgrund meiner Herkunft benachteiligt sein. Genauso wie ich als Künstler bei einer Kunstbiennale nicht nach nationalen Kriterien ausgewählt werden möchte, als handelte es sich um einen Wettkampf der Nationen.
Weltoffenheit und eine Identifizierung mit Europa sind nur möglich, wenn der Mensch, sein Denken und Handeln im Vordergrund stehen und seine Herkunft nur insofern von Belang ist, wie sie hilft, seine Beiträge zu verstehen und würdigen zu können.
Mit der Globalisierung und der Freizügigkeit in Europa verändert sich die Welt rasant und ständig. Das kann Angst machen. Aber beschwichtigende Maßnahmen und das Verharren auf überkommenen Konzepten sind keine Lösung. Neue Situationen erfordern neue Antworten. Denn die Welt bewegt sich doch!
Sineu, 2015